Festival TVD 2009

Nach der überaus positiven Resonanz der Festivals 2006 und 2008 organisiert das ACUD-Theater vom 09. bis zum 15.November 2009 bereits zum dritten Mal das internationale Theater-Festival “Transvisuelle Dramatik – Theater von Blinden und Sehenden”. Veranstaltungsort wird das ACUD-Kunst- und Kulturhaus (Theater, Kantina und Galerie) in Mitte sein.
Nachdem 2008 renommierte Blindentheatergruppen aus Spanien, Kroatien, Finnland und Deutschland sich haben „sehen lassen“, wird das diesjährige Festival vor allem Inszenierungen blinder, sehbehinderter und normalsichtiger Theatermacher aus Großbritannien, Finnland, Ungarn und Deutschland zeigen, die die Zuschauer für die Dauer der Stücke in eine äußere Situation versetzen, mit der blinde Menschen ständig konfrontiert sind: Theater wird im Dunkeln stattfinden! Ein Paradoxon? Stellt sich im Bewusstsein der meisten Menschen doch Theater als eine Kunstform dar, die sich primär an das Auge wendet. Kann man das auch anders „sehen“?


Was bleibt von der theatralen Kommunikation, wenn das Bild „gelöscht“ wird, wenn der Zuschauer zurückgeworfen auf seine anderen Sinne, seine Bilder vom Geschehen im Innern selbst erschaffen muss?
Seit einiger Zeit experimentieren Theaterleute, die blind oder sehbehindert sind und auch normalsichtige Theatermacher mit Theater im dunklen Raum. Derartige Versuche, die Dominanz des Sehens im Theater zu durchbrechen, liegen durchaus im Horizont gegenwärtiger ästhetischer Überlegungen.
Welche Raumkonzepte, welche andere Sinnlichkeit (akustisch, taktil, olfaktorisch, ja sogar optisch, wenn wir von kräftigen Lichtsignalen ausgehen), schließlich welche Stimulation der eigentlichen Kraft im Theater, der Phantasie der Zuschauer, werden denkbar, wenn man vom Weg der Guckkastenbühne, des reinen Schautheaters abweicht? Wie verändert ein solcher Ansatz unsere Sicht des Theaters? Die Manipulation der Ausdrucksmöglichkeiten des Schauspielers, das zeigt sich prominent am Beispiel der Stücke von Samuel Beckett, kann Möglichkeiten des Erzählens eröffnen, die herkömmliches Theater an Intensität und visionärer Kraft häufig übertreffen.
Nicht zuletzt liegt im Versuch, einer Welt, die medial zunehmend von optischem Müll erdrückt wird alternative Ausdrucksmöglichkeiten zu erschließen, auch ein utopisches Moment. In diesem Sinne trifft sich der Ansatz der Transvisuellen Dramatik mit Entwicklungen im Bereich des Tanzes, der Klangkunst und anderer im weitesten Sinne „ökologischer“ Ansätze des zeitgenössischen Kunstgeschehens.

Theater hätte die Chance, zu einem auf neue Art und Weise komplexen Erlebnis zu werden, auf das man sich einlassen, dem man sich ausliefern muss, um es genießen zu können. Theater im Dunkeln fordert die Wahrnehmung des Zu“schauers“ als umfassend integriertes gesellschaftliches Wesen heraus. Die mit dieser Reduktion einhergehende konstruktive Verunsicherung, die zur Infragestellung von Sehgewohnheiten, Erwartungen und Ansprüchen führt, kann neue Maßstäbe der Bewertung und auch eine neue Offenheit in der Rezeption und für die Interaktion generieren.
Wir dürfen neugierig sein, wohin uns diese Form des Theaters in Zukunft führen wird und laden sie herzlich zu diesem „Pilot-Festival“ im November 2009 an unserem Theater ein.
An allen Tagen wird es neben den Aufführungen Theater-Workshops und Diskussionsrunden geben.